Als ich Ende Oktober im Flugzeug saß, dachte ich „Was mache ich eigentlich da? Wo gehe ich hin?“. Ich wusste, welche Aufgaben mich als Au Pair erwarten, aber von meiner Gastfamilie erfuhr ich nicht allzu viel. Mein Gastvater war Landwirt, meine Gastmutter arbeitete im Justizgebäude. Ich durfte ihre Mädchen, Ann-Marie (11), Ciara (8) und Chloe (7), und den kleinen Frank im Alter von sieben Monaten betreuen. Ich bekam auch ein eigenes Zimmer mit Bad. Als ich dann bei meiner Gastfamilie ankam, verstand ich mich mit allen auf Anhieb sehr gut und auch mit der englischen Sprache kam ich gut zurecht. Nur mein Gastvater sprach sehr starken Corker Dialekt und ich dachte mir oft, ob das überhaupt Englisch ist, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich auch daran. Ich nahm sogar einige dieser Eigenheiten selbst an. Ich arbeitete immer montags bis freitags. Jeden Morgen um acht Uhr stand ich in der Küche und machte Pausenbrote für die Mädchen und Frank wurde von mir gefüttert, gewickelt und angezogen. Nachdem dann alle außer Haus waren, widmete ich mich Hausarbeiten wie Küche aufräumen, Wäsche waschen, Staubsaugen usw. Was eben so anfiel. Immer mit dem kleinen Frank an meiner Seite, der zum Glück leicht zufrieden zu stellen war. Nachmittags gegen drei Uhr kamen die Mädels aus der Schule zurück und wir machten erst einmal Brotzeit. Danach wurden die Hausaufgaben erledigt. Den Rest der Zeit haben wir oft im Pferdestall verbracht, denn alle drei Mädchen waren begeisterte Reiterinnen, oder wir haben etwas gespielt. Um halb sechs war mein Arbeitstag dann zu Ende. Ich durfte auch ein Familienfest miterleben, denn Ciara kam im Mai zur ersten heiligen Kommunion. Sie war schon einige Wochen zuvor total aufgeregt und freute sich riesig. Das Haus wurde von oben bis unten geputzt und meine Gastmutter ließ sogar als Attraktion für die Kinder eine Hüpfburg kommen. Die Kinder trugen zur Messe keine liturgischen Gewänder, wie es bei uns der Fall ist, sondern die Jungen hatten Anzug mit Krawatte und die Mädchen weiße Kleider an. Sie sahen aus wie kleine Prinzessinnen. Auch gab es keine Kommunionkerze. Der Gottesdienst war schön gestaltet und die Feier zu Hause mit der ganzen Verwandtschaft hat mir auch sehr gut gefallen. An den Wochenenden trafen wir Au Pairs uns immer in der Stadt oder wir unternahmen Ausflüge. So haben wir Kirchen und Burgen besichtigt und Städte bereist. Wir besuchten zum Beispiel den Rock of Cashel, der früher Sitz des Bischofs war. Dort soll der Legende nach der heutige Nationalheilige St. Patrick, erster christlicher Missionar in Irland, die Dreifaltigkeit anhand eines Kleeblatts erklärt haben, welches deswegen zum irischen Symbol wurde. Wir fuhren nach Blarney um den berühmten Stein, der Beredsamkeit und Sprachgewandtheit verleihen soll, kopfüber und auf dem Rücken liegend zu küssen, wobei man sich über einem 30 Meter hohen Abgrund befindet. Natürlich gehörte auch Dublin zu unseren Reisezielen, wo wir uns auf dem Dach des Guinness Storehouse ein Bierchen genehmigten und im Park des Trinity College sonnenbaden waren. Ein besonderes Highlight war die Nordirlandtour, die uns zum Giant's Causeway führte. Dort ragen über 40.000 sechseckige Basaltsäulen aus dem Meer, auf denen man spazieren gehen kann. Dieser Anblick war einfach atemberaubend. Und das waren jetzt nur wenige unserer Ausflugsziele... Irland ist wirklich ein wunderschönes Land, nicht nur wegen der Landschaft. Auch die Menschen dort sind herzlich, immer höflich und nett. Sie haben eine ganz andere Mentalität als wir Deutschen und nehmen das Leben leichter. Das irische Wetter überraschte mich erstaunlicherweise, denn es regnete nicht halb so viel, wie ich erwartete. Die Ernährung der Iren ist sehr einseitig, denn es gab so gut wie immer dasselbe zu Mittag. Aber wenn man ins Ausland geht, darf man keine zu hohen Erwartungen stellen. Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen, und die Menschen akzeptieren, wie sie sind. Natürlich gab es auch schlechte Tage, an denen ich mich am liebsten in meinem Zimmer verkrochen hätte, aber es überwogen doch die Guten. Ich habe viel von diesem Land gesehen und über dessen Kultur erfahren, von dem ich nur einen kleinen Teil hier erzählen kann. Mit den Kindern hatte ich großen Spass und sie sind mir sehr ans Herz gewachsen. Es war schön ihnen zuzusehen, wie sie sich entwickeln, vor allem Frank. Als sich mein Aufenthalt dem Ende neigte, konnte er zum Beispiel schon gehen und erste Wörter sprechen. Ich hatte eine tolle Zeit in Irland und war am Ende auch ein bisschen traurig wieder gehen zu müssen, obwohl ich mich auch riesig auf zu Hause freute. Es war eine Erfahrung, die mir keiner mehr nehmen kann, und die mir auch die Entscheidung für mein Studium erleichtert hat, da ich mein Englisch sehr verbessern konnte. Ich würde es jedem weiterempfehlen sich eine Auszeit zu nehmen und ins Ausland zu gehen, denn man kann viel über andere und vor allem über sich selbst erfahren. Julia