Im Juni, einen Tag nach meinem Abi-Ball, flog ich von Leipzig aus in mein neues Leben als Au-pair. Was für ein Jahr es werden würde, wusste ich nicht. Aber ich hatte mich so gut es ging darauf vorbereitet. Ich wollte schon seit 1,5 Jahren Au-pair werden. Genug Zeit also meine Familie und mich auf die Trennung vorzubereiten. Genug Zeit um sich zu fragen, welche Situationen eintreten könnten und wie ich damit umgehen werde. Genug Zeit herauszufinden, warum ich Au-pair werden und was ich für mich dabei erreichen will. Total motiviert startete ich meinen Workshop in New York und dabei lernte ich natürlich wahnsinnig viele nette Mädels kennen. Eine davon sollte sogar in meinem Ort wohnen und mit der Zeit eine sehr, sehr gute Freundin für mich werden. NYC war aufregend und toll, natürlich. Der Workshop und der Rest ok. Man musste sich an Klimaanlagen und alles Mögliche gewöhnen. Und man spürte die Aufregung und Ungewissheit von jedem von uns. Freitag war es dann soweit – es ging zu den Familien. Ich kam nach Ashburn (Virginia), einem kleinen Suburb ca. 50 min. mit dem Auto von Washington DC entfernt. Meine Ankunft war herzlich und wunderschön. Die Kinder warteten im Wagen und meine Gastmutter kam gleich auf mich zu und kümmerte sich um mich. Es war so aufregend. Für mich genauso wie für meine Familie, denn ich war ihr erstes Au-pair. Die restlichen Sommerferien verbrachten wir alle gemeinsam und mir wurde meine Umgebung gezeigt und alles was ich wissen musste. Meine Gastmutter war Lehrerin an der High-School und konnte sich viel Zeit für mich nehmen. Dafür war ich dankbar, denn als die Schule losging war ich eingelebt und hatte viel weniger Probleme mit der Sprache. Wir waren auch alle nochmal im Urlaub in Myrtle Beach. Mein Gastvater war Analyst und war eher selten zu Hause. Von Anfang an hatte ich einen wesentlich besseren Draht zu meiner Gastmutter als zu meinem Gastvater. Sie sind beide libanesischer Abstammung. Dadurch wusste ich bald einfache libanesische Gerichte zuzubereiten und mit der Zeit verstand ich etwas Arabisch und Französisch. Denn diese beiden Sprachen wurden genau so viel, wenn nicht sogar mehr, als Englisch gesprochen. Es hat viel Spaß gemacht mehr als eine Kultur kennen zu lernen. Die Art meines Gastvaters war aber leider sehr streng und er hat wenig gelacht. Irgendwie stand oft etwas zwischen uns, was mich ziemlich bedrückte. Mit meiner Gastmutter hingegen habe ich mich sehr gut verstanden. Wir haben uns ständig unterhalten und voneinander gelernt. Ich habe ihr gezeigt wie viel Spaß backen macht, sie mir kochen beigebracht. Wir konnten über fast alles reden, auch wenn ihre sehr offene Art auch manchmal zu Missverständnissen führte. Die Kinder waren absolut bezaubernd und ich hatte mich sofort in sie verliebt. Michael war neun Monate als ich kam, Isabella 5 Jahre und Gabrielle 7 Jahre. Alle drei waren sie unterschiedlich und einfach liebenswert. Mit Michael habe ich stundenlang gespielt und ihm so viele Sachen beigebracht. Bella, mein kleiner Wirbelwind, hat mit mir am liebsten philosophiert und gebastelt und Gaby am liebsten mit mir gelesen oder auch mal Computer gespielt. Es hatte viele Vor- und Nachteile das erste Au-pair zu sein. Ein großer Pluspunkt war definitiv der, dass ich ganz unvoreingenommen empfangen wurde und vieles durchsetzen konnte bei den Kindern. Es war echt klasse und wir hatten so viel Spaß zusammen. Mein typischer Tag sah wohl so aus: 6.00 Uhr aufstehen und fertig machen 6.30 Uhr Frühstück für die Kinder vorbereiten und ihnen die Schulbrote schmieren 6.40 Uhr die Mädels aufwecken 7.10 Uhr aus dem Haus gehen und die Mädchen zum Bus begleiten ab 7.20 Uhr hatte ich meinen Kleinen und wir haben gemeinsam gefrühstückt, dann „zusammen“ etwas aufgeräumt und Wäsche gemacht und den Rest der Zeit genutzt um zu spielen, auf dem Spielplatz zu sein, Freunde von ihm zu treffen aus der Nachbarschaft oder andere Sachen 11.15 Uhr kam Bella nach Hause, denn sie war erst in der Vorschule, wir haben Mittag gegessen und Michael ins Bett gebracht 12.00 – 14.30 Uhr haben Bella und ich gespielt, gelesen, ihre beste Freundin eingeladen oder waren draußen (mit Babyphone) mit den Nachbarskindern spielen 15 .00 Uhr kam Gaby nach Hause, die drei haben zusammen „gevespert“ und wir haben Gabys Hausaufgaben gemacht 16.30 Uhr kam meine Gastmutter nach Hause, wir haben kurz den Tag besprochen, waren manchmal noch gemeinsam unterwegs und dann hatte ich in der Regel frei Die Zeit habe ich genutzt um E-Mails zu schreiben, wenn ich an ihren PC durfte, zu lesen, zu scrapbooken oder doch noch was mit den Kindern zu machen. 18.00 Uhr gab es Abendbrot, wir waren selten Essen und haben viel selbst gekocht Ab 19.00 Uhr war meine Zeit mit den Kindern definitiv zu Ende und ich war in meinem Zimmer bis meine Freunde frei hatten und wir etwas unternahmen oder sie zu mir kamen Ich hatte ein wunderschönes und großes Zimmer im Keller mit einem riesigen Fenster und dem Spielzimmer nebenan, welches ich mit meinen Freundinnen (alles, hauptsächlich deutsche, Au-pairs) immer nutzen durfte. Wir haben dort oft DVDs geschaut oder einfach nur gequatscht und unseren Tag ausgewertet. Im Herbst hatte ich zweimal die Woche einen College Kurs abends und im Frühjahr habe ich meine restlichen Credits bei einem Wochenend-Workshop in Long Island erworben. An den Wochenenden bin ich mit meinen beiden besten Freundinnen gern unterwegs gewesen. Wir waren picknicken, in Washington D.C., in einer Tropfsteinhöhle, in der High-School meiner Gastmutter, usw. So schön die Zeit mit den Kindern war, es tat gut am Wochenende unterwegs zu sein und etwas abschalten zu können. Dabei war ich sehr glücklich und dankbar dass meine Freunde mich immer abholen und bringen konnten, denn ich konnte das Auto meiner Gastmutter nur sehr selten benutzen. Thanksgiving haben meine Hosteltern meinen Vater eingeladen, zu Ostern hatte ich eine Woche frei und meine Mama hat mich mit meinem Bruder besucht und Urlaub in Florida gemacht. Zum Ende des Jahres, in meinem Reisemonat, war ich noch in Kalifornien. Es war ein gutes Jahr, trotz aller Hindernisse und mancher Unstimmigkeiten und hat mich sehr bereichert. Jeannine Mahlig