“Wherever you go, becomes a part of you somehow.” - Anita Desai Nach meinem Abitur stand für mich fest: Bevor es mit dem Studium losgehen sollte, wollte ich raus in die Welt. Einmal andere Luft schnuppern, über den Tellerrand schauen und den eigenen Horizont erweitern, so lautete die Idee. In der Oberstufe hatte ich eine große Leidenschaft für die englische Sprache entwickelt und da mir die Arbeit mit Kindern (unter anderem in der Jugendarbeit meiner Kirchengemeinde) schon immer Spaß gemacht hatte, schien ein Auslandsaufenthalt als Au Pair genau das richtige zu sein. Die Wahl des Gastlandes war schnell getroffen: Irland! Die Bilder von steilen Klippen, grünen Feldern und den Nationalparks in Reiseführern begeisterten mich und ich sah mich schon am Rande der Cliffs of Moher stehen, den Wind in den Haaren... Dazu las ich viel von der einzigartigen Musikkultur Irlands und der großen Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit der Iren. Diese Freundlichkeit konnte ich schon bei dem ersten Skypegespräch mit meiner Gastfamilie, die aus einer kleinen Vorstadt nahe Cork kam, erfahren. Ich war überrascht, wie einfach es mir viel, meine Gastmutter und die drei Kids zu verstehen und ich konnte sogar mit dem damaligen Au Pair der Familie sprechen. Wir alle waren uns gleich sympathisch und am Ende des Gesprächs stand fest: Wir würden gut zueinander passen! Doch die Sache hatte einen Haken, besser gesagt vier Reifen und einen Auspuff, der die Stimmung in den Keller sinken ließ. Eine Aufgabe in meiner Wunschfamilie würde sein, die Kinder täglich von der Schule abzuholen – per Auto. Taxi spielen im fernen Irland, im Linksverkehr und mit einem fremden, neu angeschafften Auto? Und das mit gerade erst bestandenem Führerschein? Meine Gastmutter sicherte mir ihre Unterstützung zu und bot mir an, dass ich auch einige Fahrstunden erhalten könne. So entschied ich mich also dazu, die Herausforderung anzunehmen. Das Kofferpacken entpuppte sich als eine Wissenschaft für sich, doch am 24. August landete ich sicher in Irland – und mein völlig neues Leben als Au Pair begann. In den ersten beiden Wochen arbeitete mich ein altes Au Pair der Familie in meine Aufgaben ein. Wir verstanden uns sofort und unternahmen an den Wochenenden gemeinsam einige Ausflüge. Das Fahrtraining half mir außerdem sehr und ehe ich mich versah, hatte ich mich schon in meiner Gastfamilie eingelebt. Morgens half ich im Haushalt, indem ich unter anderem die Kinderzimmer aufräumte, mich um die Wäsche kümmerte, Staub saugte, die Lunchboxen für die Kinder und das Mittagessen vorbereitete. Mittags holte ich dann den Jüngsten (6 Jahre) von der Schule ab, ging mit ihm auf den Spielplatz, sammelte die älteren beiden Geschwister (9 und 10) ein und fuhr uns sicher nach Hause. Dort angekommen hieß es dann Essen kochen, dem Kleinen bei den Hausaufgaben helfen, gegebenenfalls Streit schlichten und die Küche aufräumen. Bis zum Abend konnte die Zeit dann zum Spielen und für Ausflüge genutzt werden. Da alle drei der Kids viele Freizeitaktivitäten hatten (Gitarre, Geige, Soccer, Rugby oder Pfadfinder), beschäftigte ich mich oft mit nur einem oder zwei der kleinen Rabauken. Wir bastelten viel, führten Experimente durch, kochten und backten was das Zeug hielt, machten Spaziergänge, spielten Brettspiele, besuchten das nahe gelegene Shopping Center oder alberten einfach herum. Abends gab es oft noch eine Gute-Nacht-Geschichte und ein paar wenige Male wurde ich gebeten zu babysitten. Trotz einiger anfänglicher Schwierigkeiten schloss ich die kleinen Monster schnell ins Herz und auch mit meiner Gastmutter verstand ich mich blendend. Wir quatschten viel und ich schätze es sehr an ihr, dass sie mir jeden Abend für meine Hilfe dankte. Was ich im Nachhinein sehr zu schätzen weiß, ist die Tatsache, dass wir die gleichen Erziehungs- und Wertevorstellungen teilten. Auch wenn ich manchmal samstagmorgens beim Einkaufen oder im Haushalt half, hatte ich die meisten Wochenenden frei. Diese Zeit nutzte ich, um mit anderen Au Pairs durch ganz Irland zu reisen. Galway, Dublin, Dingle, Connemara, Wicklow, Ennis, Limerick, Youghal… Die Liste der besuchten Städte ist lang. Durch eine Facebookseite war ich anfangs zu einer Whats App- Gruppe für Au Pairs meiner Stadt hinzugefügt worden und bei gemeinsamen Treffen lernte ich viele tolle Leute aus aller Welt kennen. Später fand ich heraus, dass ein Au Pair aus Katalonien gleich nebenan in meiner Wohnsiedlung wohnte – was Anlass für viele Spaziergänge, Kochabende oder Filmnächte war. Auch unter der Woche unternahm ich viel mit Freunden aus der Umgebung: Wir gingen morgens zusammen in einem der Cafés der Vorstadt frühstücken, besuchten abends ein Restaurant, das kleine Kino oder hörten in einem der Pubs Livemusik. Am Wochenende traf man sich, wenn man nicht gerade eigenständig oder mit einer Bustour durch Irland fuhr, in Cork, um an einem der vielen Musik- oder Kulturfestivals teilzunehmen. In der zweitgrößten Stadt Irlands gab es immer etwas zu sehen, zu hören oder zu tun! Die Zeit verflog und der Abschied kam viel schneller als gedacht. Auch wenn er mir sehr schwer fiel, war er zugleich einer der schönsten Momente in Irland. Denn er konnte mir zeigen, dass ich eine neue Heimat in einer anderen Stadt, aber auch in einer anderen Familie gefunden habe. Die Erfahrung des Auslandaufenthaltes hat mir persönlich mehr gebracht, als nur wunderschöne Erinnerungen und ein aufgebessertes Englisch. Das Jahr hat mich auch sehr reifen lassen und ich kann die Dinge nun mit einem anderen, ‘irischen‘ Blickwinkel sehen. Ich habe für mich gelernt, dass es sehr wichtig ist, sich die richtige Gastfamilie herauszusuchen. Damit ein Au Pair Austausch funktioniert und nicht in Tränen, Heimweh und Streit endet, muss eine gute Beziehung zwischen Au Pair und Gastfamilie bestehen. Und die beruht darauf, dass sich beide Seiten Mühe geben und eine Zusammenarbeit wollen. Deswegen würde ich jedem raten, sich Zeit bei der Suche zu lassen und auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen. Stellt schon beim ersten Gespräch die Fragen, die euch wichtig sind und sprecht Unstimmigkeiten an. Sollte es zu Problemen kommen, arbeitet gemeinsam an einer Lösung. Und wenn ihr gut in eurem Gastland angekommen seid: nutzt die Zeit! Reist umher, sprecht fremde Menschen an, besucht Festivals, lernt etwas über die Landeskultur, taucht ein in euer neues Leben. Und genießt jede Minute. Der Erfolg eures Auslandjahres hängt in großen Stücken von euch und eurem Engagement ab! Ich kann es jedem nur ans Herz legen, den Schritt zu wagen, und hinaus in die weite Welt zu gehen. Auch wenn es etwas kosten kann und ganz gewiss nicht immer einfach ist. Die Erlebnisse, die man macht, sind mit keinem Geld der Welt zu bezahlen und jede stressvolle Minute lohnt sich im Endeffekt!
Kategorien, die Dich interessieren könnten: